Leseprobe Gefrorenes Leben
Aber weshalb erzähle ich das alles? Denn jetzt,
im Juni des Jahres 1990, war Habakuk tot. Ein
hochbetagter 90-Jähriger war tot. „Das ist doch
nichts Besonderes”, werden Sie sagen. „Mit 90
stirbt man eben.” Da haben Sie Recht. Habakuk
aber, der 90-jährige Greis, war nicht einfach
gestorben, er war ermordet worden. „Mit einem
aufgesetzten Schuss in die Stirn”, wie
Kriminalhauptkommissarin Steinmann mit leicht
bayerischem Akzent feststellte. Sie war der Liebe
wegen aus München nach Münster gezogen,
hatte sich an Töttchen und Pfefferpotthast
gewöhnt, war Mutter zweier nunmehr
pubertierender Töchter geworden, ihres Mannes
jedoch war sie verlustig. Zu ihrem Entsetzen
hatte dieser sich mit einer Älteren verabschiedet.
Die Frage, die Frau Hauptkommissarin Steinmann
zu beantworten hatte, war: „Wer ermordet einen
90-Jährigen? Kann es für so eine Tat überhaupt
einen Grund geben?”
Aber niemand ermordet einen anderen ohne
Grund. Höchstens ein Verrückter. Nun ist das
Münsterland von alters her bekannt für Menschen
mit dem zweiten Gesicht, für Spökenkieker und
allerlei verschrobene Gestalten. Aber einen
Lustmörder, der es auf 90-Jährige abgesehen
hat, so etwas gab es nicht einmal hier. Und dann
einen Photographen umzubringen, bei dem nichts
zu holen war! Völliger Wahnsinn!
Habakuk lag vor seiner Tür zum Garten, lang
ausgestreckt auf der Terrasse, die Tür stand
offen. Ein älteres Ehepaar, das dort zufällig
spazieren ging, hatte die Tür klappern gehört und
war zunächst neugierig, dann geschockt.
Schließlich sieht man ja nicht alle Tage einen
leibhaftigen Toten, dazu noch einen Ermordeten.
Die bundesrepublikanische Bevölkerung ist
natürlich durch lehrreiche Sendungen wie „Tatort”
bestens informiert, wie man sich in so einem Fall
zu verhalten hat: 110 wählen und warten. Gut,
dass das ältere Ehepaar eines dieser neuen, nur
500 Gramm schweren Handys besaß, sonst wäre
das Ganze schwierig geworden. Das Ehepaar
wartete, Kriminalhauptkommissarin Steinmann
erschien nur wenige Minuten später in Begleitung
ihres Assistenten Heiner Pankok.
„Kommt Schimanski auch noch?”, wollte die Frau
wissen. „Der löst doch immer solche Fälle.”
„Elfriede, du guckst zu viel fern”, belehrte ihr
Mann sie. „Schimanski gibt es doch gar nicht.”
„Natürlich gibt es Schimanski, ich habe ihn schon
ein paar Mal gesehen”, entgegnete seine Frau.
Die Kommissarin verdrehte die Augen, der
Assistent bekam unversehens einen Schluckauf.
Frau Steinmann beendete das sich anbahnende
Ehedrama, indem sie sagte: „Es wäre nett, wenn
Sie Herrn Pankok Ihren Namen und Ihre Adresse
mitteilen würden, damit wir Sie zur Not erreichen
können. Außerdem sollten Sie ihm kurz schildern,
wie Sie die Leiche gefunden haben. Wichtig fürs
Protokoll!”
„Schimanski macht nie ein Protokoll”, schob die
Frau noch ein.
Damit verließ Frau Steinmann ihren Assistenten
und das Ehepaar und betrat das Haus. Sie stand
vor einem Chaos, wie sie es noch nie gesehen
hatte. Alles war durchwühlt, das Unterste nach
oben gekehrt und umgekehrt. Vielleicht ein
Raubmord? Aber was war hier zu holen? Bevor
sie ihren Gedanken weiter verfolgen konnte,
erschien ihr Assistent: „Der Mann glaubt jetzt
auch, dass wir Schimanski heranziehen sollten.”
„Spinnen die beiden?” „Nein, die haben zu viele
Krimis gesehen!”
„Gleich wird wohl die Presse hier auftauchen”,
sagte Steinmann. „Da müssen wir uns etwas
einfallen lassen.”
„Die Presse kommt nicht”, entgegnete Pankok.
„Ich habe das Ehepaar gebeten, zu niemandem
einen Ton zu sagen. Schimanski wolle sich zuerst
ein eigenes Bild machen, bevor die Presse die
Spuren zertritt.”
„Pankok, Sie sind ein ...!”
„Ein Genie, sagen Sie es ruhig!”
Dann sah auch er sich um: „Donnerwetter! Hier
hat sich jemand sehr geschmackvoll und sehr
teuer eingerichtet. Das hätte ich bei einem
Photographen nicht erwartet. Der alte Habakuk
Puhvogel scheint doch Geld besessen zu haben.”
„Der Meinung bin ich auch. Und was den
Geschmack betrifft, da stimme ich ebenfalls mit
Ihnen überein.”
„Aber hier hat jemand eine Intensivsuche
betrieben.”
„Also doch ein Raubmord?”, fragte Steinmann.
„Glaube ich nicht”, erwiderte Pankok. „Sehen Sie
mal hier im Regal! Da steht eine Münzsammlung.
Die hätte jeder Räuber doch wohl mitgehen
lassen. Bei einem Raubmord wäre die
verschwunden. So blind kann man gar nicht
sein.”
Er trat näher ans Regal und untersuchte die
Alben: „Sehen Sie mal hier! Eins, zwei, drei, vier
Alben. Alle voll mit Münzen. Nur Silber und Gold.”
Dann war es eine Zeit lang ruhig. Schließlich fuhr
er fort: „50 südafrikanische Krügerrand. Das ist
ein Vermögen. Soviel verdiene ich im ganzen
Jahr nicht. Sie übrigens auch nicht.”
„Kennen Sie sich mit Münzen aus?”
„Jein. Der Krügerrand ist allerdings eine
allgemein bekannte Münze, die man bei jeder
Bank kaufen kann. Also nichts Geheimnisvolles.
Aber diese Münzen hier, vorne im Album, das
sind Sammlerstücke. Vom Silbergehalt eigentlich
ein geringer Wert. Das hier ist zum Beispiel eine
altgriechische Tetra-Drachme. In diesem
exzellenten Zustand kommen Sie mit einem
Tausender nicht aus, wenn Sie sie kaufen wollen.
Davon hatte er ein Dutzend. So etwas bewahrt
man in einer Bank im Tresor auf, nicht zu Hause
in einem Bücherregal. Was hier steht, geht in die
Hunderttausende.”
Kriminalhauptkommissarin Steinmann staunte.
Soviel Wissen hatte sie von ihrem Assistenten
nicht erwartet. Bis jetzt war er mehr als
Dolmetscher zwischen gezügelter westfälischer
Mundart und einem gemäßigten bayrischen
Sprachverständnis in Erscheinung getreten.
„Gut, Pankok, gut! Wenn Sie so weitermachen,
nehmen Sie bald meine Position ein.”
„Ach, lassen Sie mal. Das will ich gar nicht. Es
gibt Wichtigeres zu tun.”
„Richtig! Wir sollten die SPUSI hierhin beordern
und den armen Habakuk in die Gerichtsmedizin
bringen lassen.”
„Und was ist mit Schimanski?”
„Jetzt reicht’s aber wirklich! Woher haben Sie
eigentlich ihre Kenntnisse über Münzen?”
„Mein Vater war ein großer Sammler vor dem
Herrn. Der hat alles gesammelt, was ihm vor die
Füße, besser vor die Hände kam. Ganz zum
Leidwesen meiner Mutter, die ihn irgendwann vor
die Entscheidung gestellt hat, sich für eine
einzige Art von Sammelgegenständen zu
entscheiden. Andernfalls würde sie ausziehen. Er
hat meine Mutter und die Münzen gewählt. Das
ganze Zeug habe ich nun geerbt. Die
minderwertigen Münzen habe ich verramscht,
den Rest fein säuberlich in ebensolchen Alben
gehortet.”
„Dann sind Sie eine gute Partie?”
„Machen Sie mir einen Heiratsantrag und ich
verrate ihnen, was ich besitze.”
„Pankok”, entgegnete sie sehr gedehnt, „wir
sollten jetzt lieber mit dem Denken beginnen. So
ein Fall löst sich nicht von alleine.”
„Aber ich bin doch schon am Denken dran”,
entgegnete ihr Assistent.
„Was ist denn das für eine Zeitform?”, fragte sie
ihn.
„Westfälisches Gerundium. Daran müssen Sie
sich gewöhnen, so redet hier jeder und ich als
Eingeborener auch.”
„Wirklich jeder?”
„Zugereiste und sonstige nicht hier Geborene
natürlich nicht.”
„Und jetzt?”, fragte Steinmann.
Pankok und Steinmann traten vor die Tür und
Pankok zeigte auf einen Bauernhof, der etwa 200
Meter entfernt lag und von dem man noch so
eben das Dach erkennen konnte.
„Schulze Guntrup”, sagte er. „Der einzige
Nachbar. Es kann sein, dass der etwas gehört
hat.”
Sie hatten Pech, denn der Bauer war auf einem
Acker beschäftigt gewesen, der fast einen
Kilometer vom Tatort entfernt war. Natürlich
hatte er nichts gehört.
Sie standen vor ihrer letzten Hoffnung, der
Kreissparkasse.
„Was, Habakuk ist tot? Stand ja noch gar nicht in
der Zeitung. Ein großer Verlust!”, sagte der
Direktor.
„Wieso ein großer Verlust?”, fragte Steinmann.
„Fragen Sie mal unseren großen
Kunstvorsitzenden. Der kann Ihnen mehr
erzählen.”
„Aber hatte Herr Puhvogel bei Ihnen ein Konto?”
„Selbstverständlich hatte er bei uns ein Konto”,
erwiderte der Direktor.
„Sie waren unsere letzte Hoffnung”, sagte Lena
Steinmann. „Wir waren schon am Verzweifeln.
Alle kannten Habakuk Puhvogel, aber er hatte bei
keiner der anderen Banken ein Konto. Wir
bräuchten jetzt einmal alle Kontounterlagen,
damit wir uns ein Bild über seine finanzielle
Situation machen können.”
„Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, hole ich
die Unterlagen.”
Er entfernte sich und drei Minuten später
erschien seine Sekretärin mit Kaffee und Gebäck,
weitere drei Minuten später der Direktor mit den
Unterlagen.
„Sehen Sie hier!”, begann er. „Auf dem Konto hat
er zurzeit etwas über 3.000 DM.”
„Woher kommt dieses Geld?”, fragte Steinmann.
„Jeden Monat bekam er 1.500 DM aus der
Alterskasse für Künstler. Das ist ungewöhnlich
viel. Er muss eine Menge eingezahlt haben, denn
ich kenne hier noch einen Künstler, der keine 700
DM erhält.”
„Hatte er sonst noch Bezugsquellen?”, fragte
Pankok.
„Das kann man wohl sagen. Es gibt da in Münster
eine kleine, aber sehr feine Privatbank. Von dort
bekam er in unregelmäßigen Abständen
Überweisungen.”
„Hohe?”, fragte Pankok.
„Das kann man wohl sagen”, erwiderte der
Direktor. „Mal 5.000, mal 10.000, einmal, daran
erinnere ich mich ganz genau, sogar 30.000 DM.
Habakuk war wohlhabend, sehr wohlhabend.”
„Das wusste aber keiner hier”, schob Pankok ein.
„Das war ja auch ein Bankgeheimnis”, klärte der
Direktor auf.
„Woher kam denn das ganze Geld?”, wollte
Steinmann wissen.
„Das weiß ich nicht, da müssten Sie schon nach
Münster fahren in diese...”
„…kleine, aber feine Privatbank”, ergänzte
Pankok.
„Genau. Aber zunächst sollten Sie unseren
großen Kunstversteher aufsuchen. Der kann
Ihnen bestimmt mehr erzählen. Alles, was ich
weiß, habe ich Ihnen gesagt.”
Steinmann und Pankok verließen die Sparkasse
und glaubten, etwas klüger geworden zu sein.
„Wir müssen also jetzt den großen Kunstzampano
aufsuchen und dann zur kleinen, aber feinen
Privatbank nach Münster”, erklärte die
Kriminalhauptkommissarin.
„Sehen Sie mal auf die Uhr!”, sagte Pankok. „St.
Martinus sagt: Es ist 12 Uhr. Mittagszeit also und
da können wir den großen Kunstkenner nicht
stören. Wir sollten den Besuch etwas
verschieben, so bis 14 Uhr, wegen des
Mittagsschlafs. Und bei der Bank sollten wir
vorher anrufen. Dort müssten wir schon mit dem
Chef sprechen und der sollte anwesend sein,
wenn wir kommen. Ich ruf‘ da heute Nachmittag
mal an. Und jetzt sollten wir etwas essen, damit
der Magen nicht so durchhängt. Was halten Sie
von Curry-Wurst mit Pommes frites?”
„Wo denn?”
„Zwei Minuten von hier. Ach was, 30 Sekunden
nur. Bei Herbert.”
„Da war ich noch nie, doch den Namen kenne ich
von meinen Töchtern. Die sind immer begeistert
davon.”
„Mit Recht! Dort gibt es die beste Curry-Wurst
westlich des Urals und östlich von Lissabon.”
„Jetzt übertreiben Sie!”
„Überhaupt nicht! Herbert ist Kult. Während der
Fußballweltmeisterschaft verkaufte der Typ 1.000
Curry-Würste pro Nacht. Da kommen Jugendliche
aus Münster, Telgte, Ibbenbüren, selbst einige
aus Emsdetten.”
Noch 100 Meter und Pankok bestellte zweimal
Curry-Wurst mit Pommes frites.
„Mann, Heiner”, begrüßte ihn Pommes-Herbert,
„endlich hast du mal ein vernünftiges Weib im
Schlepptau. Nicht immer dieses Jungfleisch.”
„Das ist Frau Steinmann, meine Kollegin”, stellte
Pankok seine Chefin vor.
„Das hätte ich jetzt auch gesagt”, meinte
Herbert. „Aber ich bleib dabei! Die hat was!”
Die Kriminalhauptkommissarin holte tief Luft und
sagte: „Wir sind hier doch nicht auf einer
öffentlichen Fleischbeschau!”
„Da würde ich für Sie bieten!”, meinte Herbert.
„Mindestens einen ganzen Tagesverdienst. Brutto
sogar.”
„Der ist immer so”, zügelte Pankok das Gespräch.
Mittlerweile standen zwei Portionen Curry-Wurst
und zweimal Pommes-Schranke vor den beiden.
„Jetzt weiß ich endlich, was Pommes-Schranke
bedeutet: mit Ketchup und Mayo”, meinte
Steinmann. „Mannomann, die Curry-Wurst ist
einsame Spitze. Wie viel wollten Sie noch für
mich bieten?”
„Lass mal Mädchen, aus dem Alter bin ich raus”,
entgegnete Herbert.
Punkt 18.00 Uhr klingelte es an der Wohnungstür
von Heiner Pankok. Lena Steinmann stand dort
und bewirkte bei ihrem Assistenten wegen ihrer
Kleidung einen Schluckauf.
„Wow!”, dachte er, „was hat die vor?”
Sie betrat die Wohnung und sagte nun ihrerseits:
„Wow! Wie viele Quadratmeter sind denn das?”
„170 plus Terrasse”, war die Antwort.
„Und die bewohnen Sie allein?”
„Ja.”
„Und Sie verlaufen sich nicht?”
„Unter normalen Umständen nicht. Und bevor Sie
denken: ′Die Miete kann der doch gar nicht
bezahlen′, sage ich Ihnen sofort die Wahrheit:
Diese Wohnung gehört mir. Ich habe Ihnen doch
von der Sammelleidenschaft meines Vaters
erzählt. Nun, Kinder – und ich bin Einzelkind –
profitieren manchmal von den Leidenschaften
ihrer Eltern. Auf Deutsch: Ich habe einen Teil
seiner Münzen verkauft und dafür diese Wohnung
erstanden. Ein guter Tausch, finde ich.”
„Ein wirklich guter Tausch, finde ich auch”, nickte
sie zustimmend und inspizierte ungeniert die
übrigen Räume.
„Tun Sie so, als wären Sie hier zu Hause”, sagte
er und sie erwiderte: „Bin schon dabei.”
Sie kam bald zurück und erklärte ihm: „Erstens:
Sie haben Geschmack. Zweitens: Sie haben viel
Platz. Drittens: Sie scheinen, wenn ich mir das
Badezimmer betrachte, auf weibliche Gäste oder
Mitbewohner eingestellt zu sein. Wohl eher
Mitbewohnerinnen, oder?”
„Ich erinnere Sie an Pommes-Herbert und seine
Meinung über meine gelegentlichen weiblichen
Begleitungen. Und der Mann hat
Menschenkenntnis. Er hielt nicht viel von denen.”
„Man kann sich ja verbessern.”
„Nach Herberts Meinung hab’ ich das schon.”
„Aber sagen Sie mal: ein Whirlpool in dieser
Höhe, wie bekommt man das hin?”
„Mit Hilfe eines Krans, während der Bauphase.”
„Ah! Und Sie baden also im Whirlpool?”
„Nein, ich dusche. Allein im Whirlpool ist erstens
langweilig und zweitens wäre das dekadent.”
„Sie gehen also nur in weiblicher Begleitung in
den Whirlpool?”
„Allein habe ich dort Angst. Sie können mich ja
begleiten und mir die Angst nehmen.”
„Das hätten Sie wohl gerne, was?”
„Offen gesagt: Ja! Warum nicht?”
„Also Herr Pankok!”
„Frau Steinmann?”
Sie hatten die Wohnung verlassen und gerade die
Terrasse betreten.
„Sieh an, sieh an, ein gar nicht mal so kleiner
Pool. Man gönnt sich ja sonst nichts, oder?”
„Genau! Wenn man bescheiden lebt, dann bleibt
am Monatsende noch etwas übrig.”
„Bei mir nie. Dafür sorgen schon meine Töchter,
Lara 17 und Lea 15.”
„Ihr Mann hieß nicht zufällig Ludwig oder
Leopold?”
„Nein, Lennart, wieso?”
Beide mussten lachen und fingen sich erst, als
das Telefon klingelte.
Pankok nahm ab, sah seine Kollegin an und
sagte: „Für Sie, eine Ihrer Töchter.”
Steinmann übernahm das Telefon und Pankok
ging wieder auf die Terrasse. Nach fünf Minuten
kehrte Frau Steinmann zurück.
„Das war meine Tochter, die ältere. Sie hat ihren
Hausschlüssel vergessen. Jetzt muss sie meinen
Schlüssel holen, nach Hause zurückfahren –
meine Töchter besitzen in der Tat Fahrräder –
und sich ihren Schlüssel besorgen. Dann muss
sie mir noch meinen Schlüssel wiederbringen.”
„Ja, ja”, kommentierte Pankok, „wer’s nicht im
Kopf hat, der hat’s in den Beinen. Aber woher
hatte sie meine Telefonnummer?”
„Von der Polizei. Sie hat angerufen, um zu
erfahren, wo ich sei. Auf der Dienststelle wussten
sie, dass wir heute noch zu arbeiten haben. Und
zwar bei Ihnen. Aber warten Sie, bis die junge
Dame hier ist. Die ist nämlich gar nicht auf den
Kopf gefallen, sie ist manchmal unmöglich und
furchtbar direkt.”
„Dann fangen wir doch mal mit der Vorspeise an,
Rösti oder Reibeplätzchen, ganz wie Sie wollen,
mit Räucherlachs.”
„Machen Sie die jetzt erst?”
„Selbstverständlich! In der Wohnung würde es
ziemlich streng riechen, deshalb bereite ich sie
hier draußen zu. Da vorne – er deutete in eine
Ecke der Terrasse – habe ich meine externe
Küche für geruchsintensive Gerichte. Beweglich,
auf Rollen und mit Gas betrieben. Außerdem
müssen Reibeplätzchen immer frisch sein, richtig
kross, wenn Sie verstehen.”
Es klingelte wieder, diesmal an der Tür. Pankok
ging hin, öffnete und sah eine jüngere Ausgabe
von Lena Steinmann dort stehen.